· 

Süditalien - Von Bari nach Pompeji (Rom) - Teil 1

Dies ist die Geschichte unserer Radreise durch Süditalien. In zweieinhalb Wochen von Bari nach Rom, so geplant, das nicht jeder Campingplatz fest vorgegeben ist und man freier in Streckenwahl und Verweildauer ist. Bari, die Hauptstadt Apuliens an der Ostküste war unser Startort. Von dort wollten wir durch die Provinz Basilikata und Kampanien bis zur ewigen Stadt in Latium. Letztendlich haben wir es nur bis Pompeji, wenige Kilometer südlich von Neapel geschafft. Da wir auf jeden Fall noch einige Tage in Rom verbringen wollten, haben wir die restlichen 250 km mit dem Zug zurückgelegt. Wir haben die 550 km lange Strecke bis Pompeji in 8 Etappen zurückgelegt. Mit Verweiltagen waren wir insgesamt 16 Tage unterwegs. Die Streckenlängen lagen zwischen 40 und 90 km. Pro Tag hatten wir im Schnitt Anstiege von 1000 Hm. Die Strecke führte uns durch eine landschaftlich sehr schöne, aber auch sehr abgelegene Region Italiens. Sie ist durchweg hügelig bis bergig, aber die Anstiege sind meistens moderat. Durch die geringe Bevölkerungsdichte und den nicht ausgeprägten Tourismus ist es eine der ursprünglichsten Ecken Italiens. Das bedeutet auch eine geringe Infrastruktur in Sachen Übernachtungsmöglichkeiten. Campingplätze gibt es hauptsächlich nur an den Küsten, Zimmer findet man nur in größeren Orten. Man sollte daher seine Route gut auswählen oder sich auf wildes Campen einstellen, was hier recht unproblematisch zu sein scheint. Die Menschen sind sehr freundlich und man trifft immer wieder auf Italiener, die als Gastarbeiter in Deutschland tätig waren und etwas Deutsch sprechen. Wir waren jedenfalls sehr begeistert von diesem Flecken Erde und das Reisen im heißen August machte die Tour noch interessanter.

Übersicht der Radstrecke bis Pompeji. Die insgesamt 550 km lange Strecke haben wir in 8 Etappen zurückgelegt. Der Gesamtanstieg betrug 8000 Hm. 


Tag 1 (Do, 02.Aug. 12)

 

Anreise

 

Mit einem Ryanair Flugticket flogen wir am 2. August vom etwas abgelegenen Niederrheinflughafen Weeze ins warme sonnige Süditalien, genauer gesagt, nach Bari, der Hauptstadt Apuliens. Dort startete unsere Tour, die uns jeden Tag aufs neue schöne Erlebnisse, grandiose Landschaften und nette Begenungen bringen sollte.

Ankunft und Räder vorbereiten am Flughafen Bari.

Spät landeten wir auf dem Flughafen in Bari. Bis wir die Räder abfahrbereit hatten, war es nach halb 8 und die Dämmerung setzte bereits ein. Bis zu unserem Campingplatz in Giovanazzo waren es etwa 10 km, die wir zusammen mit vielen rücksichtsvollen Autos und ohne uns auszukennen zurücklegen mussten. Müde und hungrig fanden wir dann spät am Abend den ausgewählten Campingplatz direkt am Meer. Es war schon lange dunkel, aber immer noch lauschig warm. Der Campingplatz war voller Italiener, die hier ihren Sommerurlaub verbrachten und gerade dabei waren, ihr Abendessen zuzubereiten. Wir bauten stattdessen schnell unser kleines Zelt auf. Da wir im Flugzeug kein Campinggas mitnehmen konnten, ging es danach gleich in die nahegelegene Pizzeria und wir genossen eine unglaublich leckere Pizza auf einer Restaurantterasse direkt am Meer. Hier gab es auch zum vorerst letzten Mal Internet, denn die nächsten 14 Tage werden wir von der Außenwelt mehr oder weniger abgeschnitten sein, was auch mal sehr schön sein kann in Zeiten ständiger Erreichbarkeit und Internetnutzung.

Wenn jemand Pizza kann, dann die Italiener!


Tag 2 (Fr. 03.Aug. 12)

 

Bari

 

Bevor wir unsere Radreise starten wollten, legten wir erstmal einen Urlaubstag ein. Klimatisieren, einkaufen, baden, und möglichst wenig Stress standen heute auf unserem Programmzettel. Zuerst waren wir im nahen Ort einkaufen und sind danach erstmal zum nahe gelegenen Strand gegangen. Dieser bestand aus natürlichen Kalksteinterassen, auf denen sich unzählige kleine Krabben fortbewegten. Das Wasser war glasklar, warm wie eine Badewanne und man konnte kleine Fische im beobachten. Beim balancieren auf den Kalksteinen hatte ich mir blöderweise gleich mal den Fuß umgeknickt und meine Trekkingssandale verlor eine Schnalle. Torsten hat nachgelegt, denn seine Sandalen waren erst gar nicht Salzwasserresistent. Da wir sowieso heute noch Campinggas besorgen mussten, lohnte sich nun auch der Radausflug ins nahegelegene Bari mit dem Kauf neuer Schuhe.

Abkühlung am Meer.

Bevor wir uns nach Bari zum einkaufen aufmachten, wurden wir aber erstmal von unseren italienischen Campingnachbarn zum Mittagessen eingeladen. Eine Familie aus der Nähe von Bari, die ihre gesamten Sommerferien auf den Campingplatz verbringt. Die italienischen Sommerferien sind mit 3 Monaten sehr lang, im Gegensatz zu unseren. Die Familie war sehr gastfreundlich und interessiert was uns in diese schöne Gegend führt. Der Vater, sowie seine Enkel sprachen etwas Englisch und so unterhielten wir uns über unsere Reisepläne und über die Menschen und Sitten Italiens. Dabei servierte uns die Frau Spaghetti mit Thunfisch, Fleisch, welches etwas eigenartig schmeckte, und sich als Pferdefleisch herausstellte, Carussellos (eine Gurkenart), Feigen, Pfirsiche, Eis und Bier. Hier wurden wir zum ersten Mal mit der freundlichen italienischen Gastfreundschaft konfrontiert und es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein.

Campingplatz von Giovinazzo.

Als die Hitze gegen Nachmittag langsam nachließ (und es war noch gar nicht wirklich heiß), machten wir uns auf den Weg und versuchten ins 20 km entfernte Stadtzentrum von Bari zu gelangen. Allerdings läuft das mit dem Verkehr in italienischen Großstädten etwas anders. Es gibt unzählige Einbahnstraßen oder Straßen, die einfach in irgendwelchen Randzonen endeten. Mit etwas Phantasie und Improvisation fanden wir doch den Weg und schwammen mit dem chaotischen Verkehr Richtung Innenstadt. Zum Thema Verkehr in italienischen Großstädten muss man sagen: es sieht chaotisch aus und es wird viel gehupt. Ampeln werden oft ignoriert und wer glaubt, dass die Autos an Zebrastreifen anhalten, der irrt sich gewaltig. Aber der Verkehr hat seine Regeln und die lauten: Jeder achtet auf den anderen und jeder nimmt Rücksicht. Gehupt wird um andere zu warnen und nicht um das Recht des Stärkeren einzufordern, wie wir es aus Deutschland kennen. Am Zebrastreifen muss man einfach losgehen und die Autos halten wie von Geisterhand gesteuert an. Wir hatten auf unserer gesamten Reise nicht eine einzige komische Situation und wir sind teilweise auf Straßen gefahren, auf denen hier schon längst die Ansage im Radio gekommen wäre: "Achtung!! Radfahrer auf Schnellstraße unterwegs" und mit Gefängnisstrafe im Knast gelandet wären.

 

In Bari und generell in italienischen Großstädten sollte man sein Fahrrad niemals alleine stehen lassen. Bereits unsere Campingfreunde haben uns vor Bari gewarnt und das wir gut auf unsere Räder und Sachen aufpassen sollen. Es scheint wohl ein heißes Pfaster hier zu sein, welches nur von Neapel übertroffen wird. Wir fanden allerdings nur freundliche Menschen, die uns schnell den passenden Schuhladen und einen Campingshop finden ließen. Mit neuen Schuhen und Gas im Gepäck machten wir uns schnell wieder auf den Rückweg, denn die Stadt machte nicht den interessantesten Eindruck. Um nicht lange suchen zu müssen, fuhren wir unseren Garmintrack einfach wieder zurück. 

 

Wieder auf dem Campingplatz angekommen, machte sich mein umgeknickter Fuß dann doch bemerkbar. Mittlerweile war er dick angeschwollen und das laufen tat immer mehr weh. Auf dem Rad merkt man sowas ja nicht wirklich. Das Eis von unseren Nachbarn hatte die Schwellung zwar gut abklingen lassen, aber ob ich am nächsten Tag fahren könnte, war mehr als fraglich. Ein denkbar schlechter Start für unsere Tour.

Noch ist alles ein wenig chaotisch. Es dauert immer eine Weile bis Ordnung in die ganze Sache kommt.


Tag 3 (Sa, 04.Aug.12)

 

Giovinazzo (Bari) - Matera

 

71 km, 770 Hm

Heute wurde es ernst. Die erste Etappe unserer Italientour begann und führte und in die berühmte Stadt Matera in der Region Basilikata. Um 9 Uhr hatten wir bereits Zeit, Klamotten und allen anderen Kram auf unseren Rädern verstaut und obwohl es noch früh war, schien die Sonne schon kräftig vom Himmel.

Aufbruch vom Campingplatz in Giovinazzo.

Die Strecke führte uns zunächst ins 10 km entfernte Bitonto, wo wir uns in der Panaderia (Bäckerei) Frühstück besorgten und in einem kleinen Park den alten Männern zusahen, die sich überall in der Mittelmeerregion mittags zum quatschen treffen, während die Frauen vermutlich zu Hause die Arbeit verrichten.

Park in Bitonto.

Die Landschaft, die wir durchfuhren, bestand aus unzähligen Olivenplantagen. Bereits aus dem Flugzeug konnte man die riesigen Plantagen sehen, die den ganzen küstennahen Streifen ausmachten. Die Straßen waren leider sehr verdreckt. Überall wird hier der Müll an der Straße weggeschmissen, ab und an sieht man Tierkadaver und vor allem liegen überall Plastikflaschen rum. Würden sie in Italien das Flaschenpfand einführen, wäre es ein sehr reiches Land. Die Straße war recht eintönig, ging sie kilometerweit einfach nur geradeaus und immer leicht bergauf. Mit jeder Minute wurde es heißer. 46°C zeigte das Thermometer bereits an frühen Nachmittag in der Sonne an und wir nutzten jede Brücke für eine kleine Pause. Nach 40 km langweiligen Anstieg kam endlich die Stadt Altamura in Sicht. Eine etwas größere Stadt, wo wir kalte Getränke, Obst und Schatten bekommen sollten. Unser Wasser in den Trinkflaschen hatte mittlerweile gefühlte Siedetemperatur erreicht. Und mittlerweile hatte sich auch die Landschaft verändert. Aus den riesigen Olivenhainen wurde eine wellige verdorrte Landschaft mit weiläufigen Feldern. Kurz bevor wir die Stadt erreichten, mussten wir nochmal ein kurzes Stück steil bergauf strampeln. Ohne die Weintrauben, die am Straßenrand wuchsen, hätten wir das nicht mehr geschafft ;-). Und dann fanden wir zum Glück auch einen kleinen Obstladen, wo wir eiskalte Cola und saftige Pfirsiche kauften. Große Supermärkte wird man in diesen Gegenden nicht erwarten. Die Menschen versorgen sich über kleine Geschäfte, die das wichtigste vor Ort haben. Allerdings haben die kleinen Geschäfte meist zwischen 13 und 17 Uhr, wegen Siesta geschlossen. Das sollte man immer einplanen.

Kilometerweit Olivenhaine hinter Bitonto.

Kerzengerade geradeaus führt die Straße nach Altamura.

Die Landschaft wurde welliger und trockener.

Weitläufige trockene und verdorrte Landschaft kurz vor Altamura.

Kurz vor Altamura.

Endlich erreichten wir den Altstadtkern Altamuras, der wirklich wunderschön war. Kleine enge Gassen, Blumen vor den Häusern, Skulpturen und alles war aufgeräumt. Nur Menschen waren kaum zu sehen. Auf einem nahezu verlassenen Kirchplatz machten wir gerade auf den Kirchentreppen unsere Pause und tranken kalte Cola als wir von einer großen Hochzeitsgesellschaft überrascht wurden, die plötzlich um die Ecke kam. Als der Fotograf uns auf den Kirchtreppen sah und die vollbepackten Räder entdeckte, baute er sie spontan als Fotomotiv für das Brautpaar ein. Nicht dass der Bräutigam noch mit meinem Rad wegfährt? Bei der schönen Braut undenkbar. Fasziniert schauten wir dieser gerade etwas unwirklichen Szene zu. Eben gerade waren wir noch auf staubigen, dreckigen Straßen in der heißen Einsamkeit unterwegs und kurze Zeit später saßen wir in dieser schönen, aufgeräumten Stadt, mitten unter extrem schön gekleideten Italienern und waren für kurze Zeit Teil der Hochzeit. Das war einer der ganz besonderen Augenblicke, die man auf solchen Radtouren spontan erleben darf. Gerade fuhr man durch die gefühlte Hölle und plötzlich war man im Himmel. Soche Erlebnisse machen das Radreisen unvergessen und auch unsere Anstrengungen bis hierhin waren alle schnell wieder vergessen.

Fotosession der Brautleute mit unseren Tourenrädern.

Unglaublich schicke Hochzeitsgesellschaft in Altamura.

Schön war der Anblick der Hochzeitsgesellschaft.

Die Altstadt von Atamura.

Kathedrale von Altamura.

Aber Altamura war nicht unser Tagesziel. Nachdem die Hochzeitsgesellschaft weiterzog, verließen auch wir die die kühlen Treppen im Schatten der Kirche. Das etwa 20 km entfernte Matera war unser Ziel. Die Straße verlief nun nicht mehr nur bergauf, sondern ging in einer welligen, öden Landschaft auf und ab. Aus der zweispurigen Straße wurde eine vierspurige autobahnähnliche Schnellstraße mit viel Asphalt, Leitplanken und somit keiner Möglichkeit dieser Straße außerhalb einer Abfahrt zu entkommen. Es war aber nicht verboten hier zu fahren und viele Alternativen gab es in dieser dünn besiedelten Gegend eh nicht. Durch die immer noch hoch stehende Sonne und den vielen Asphalt war die Hitze noch intensiver und der Wind blies wie aus einem heißen Föhn direkt von vorne. Und so kämpften wir uns etwa 15 km auf dieser zum Glück nur mäßig befahrenen Schnellstraße bis kurz vor Matera. Hier machten wir auch erste Erfahrungen mit Feuer, denn in diesem Sommer war es in Südeuropa besonders heiß und trocken. An allen Ecken und Enden brannte es. Meist kleine harmlose Feuer, brennende Stoppelfelder oder kleine Baumflächen. Als Schutz vor Feuerübergriffen haben die Bauern an denn Feldrändern Schneisen angelegt, die mögliche Feuer stoppen sollen. Eine irre Gegend hier. 

Auf der Schnellstraße nach Matera.

Gegen 17 Uhr erreichten wir endlich den kleinen Campingplatz (Masseria Radogna) auf einem Hügel kurz vor Matera. Zum Campingplatz führte eine etwa 2 km lange Straße durch eine Karstlandschaft steil bergauf. Ich konnte nicht mehr und musste schieben, während Torsten noch etwas mehr Energie hatte. Der Ort war kein Campingplatz im eigentlichen Sinne, sondern ein einsames kleines Haus auf einem Hügel, welches ein temporär geöffnetes Restaurant betreibt und wo tagsüber Schulklassen durch dieses historisch und geologisch interessante Gebiet geführt werden können. Dazu gab es eine Campingfläche mit einem kleinen einfachen Duschhäuschen und ein Stromanschuss. Als wir ankamen, stand nur ein einziges Wohnmobil dort, welches am Abend noch von drei weiteren ergänzt wurde. Wir bauten unser kleines Zelt unter einem Feigenbaum auf und wuschen uns in der kalten Dusche den Staub und Schweiß des Tages ab. Was für ein Luxus frisches fließendes Wasser doch sein kann. 

Eigentlich war unser Plan noch die Stadt Matera anzusehen, aber dafür waren wir heute zu lange unterwegs und nun zu kaputt diesen schönen Platz zu verlassen. Wir hatten für die 70 km lange Strecke einfach zu lange gebraucht. Zu Hause wären 70 km kein großes Problem gewesen, aber beim Tourenfahren unter solchen Bedingungen sind die Gesetze anders und wenn Hitze und Anstiege dazu kommen, können 70 km lang werden. Wir hatten aber trotzdem noch etwas Zeit um uns Matera von einer ganz besonderen Seite anzusehen.

Campingplatz von Matera. Einsames zelten unterm Feigenbaum.

Das Badehaus des Camppingplatzes.

Campingplatz von Matera.

Blick vom Campingplatz Richtung Osten. Im Hintergrund ein kleiner Felderbrand.

Was ist das besondere an Matera? Matera liegt an einer steil abfallenden Schlucht einer karstigen Hochebene. Der Fluss Gravina hat sich tief in den Kalkstein eingeschnitten. Berühmt wurde Matera für seine Höhlenwohnungen, den Sassi. Diese natürlichen Höhlen an der Flanke der Schlucht wurden wahrscheinlich schon seit der Jungsteinzeit besiedelt.  Der weiche Stein erlaubte es die Höhlen zu erweitern und nach den Wünschen der Menschen zu gestalten. Im Laufe der Zeit wurden die Höhlen durch Anbauten erweitert und ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem, welches seit der Bronzezeit existierte, versorgte die Bewohner mit Wasser. Es entstand schließlich ein Gewirr aus Häusern, Straßen, Kirchen und Kellern, die übereinander gestapelt gebaut worden sind. 15.000 Einwohner lebten hier Mitte des 20. Jahrhunderts unter erbärmlich unhygienischen Verhältnissen. In den 50er Jahren wurden die Sassi geschlossen, die Menschen in andere Stadtteile zwangsumgesiedelt und die Höhlenstadt verfiel. Erst seit den 80er Jahren wurde begonnen, sie zu restaurieren und neu aufzubauen. Heute findet man hier viele Szenelokale und Künstlerateliere. 1993 wurden sie von der UNESCO zum Wetkulturerbe erklärt und stehen seitdem unter Denkmalschutz. Bekannt wurden sie als Kulisse für diverse Filme. Der letzte große Film, der hier gedreht wurde, war die Passion Christi mit Mel Gibson.

 

Unser Campingplatz lag sozusagen auf der anderen Seite der Schlucht und somit hatten wir in der untergehenden Abendsonne einen wunderschönen Blick auf die übereinandergestapelten Höhlenwohnungen der Sassi. Und mit diesem Anblick endete unser dritter Tag. Es war unsagbar heiß und anstrengend, aber auf der anderen Seite auch voll schöner Momente und sehr erlebnisreich. 

 

Blick von der Campingplatzseite auf Matera.

Der Fluss Gravina hat sich tief in den Kalkstein eingegraben und diese spektakuläre Schlucht gebildet.

Sonnenuntergang hinter der Altstadt von Matera.

Impressionen.


Tag 4 (So, 05. Aug. 12)

 

Matera - Pisticci

 

54 km, 760 Hm

Nach der unsagbaren Hitze gestern, wollten wir heute sehr früh aufstehen. Morgens ist die Luft noch frisch und mit 23°C richtig angenehm. Daher standen wir heute bereits um 6 Uhr auf. Eine Stunde später war alles gepackt und wir abfahrbereit. Das hätten wir uns jedoch sparen können, den wir hatten ein Problem: Wir hatten keine Vorräte mehr. Nur noch ein paar Kekse, aber sonst nichts mehr zu Essen und zu wenig Getränke. Heute war Sonntag. Das hatten wir schon ganz vergessen. Zum Glück gab es in Matera einen kleinen Supermarkt, aber der öffnete erst um 9 Uhr. Und da wir heute keine größeren Orte passieren sollten, mussten wir nun etwa zwei Stunden warten bis der Laden öffnete. Die Zeit vertrieben wir uns im Park von Matera, machten Fotos in den Sassis und mit einer Unterhaltung mit einem deutschsprechenden Italiener. 

Die Sassi von Matera.

Nach dem Einkauf konnten wir dann endlich weiter fahren. Aber da es bereits wieder sehr warm wurde und wir nicht in den heißen Mittagsstunden fahren wollten, fuhren wir nur etwa 15 km bergab zu einem Stausee, dem Lago di San Giuliano. Dort wollten wir Siesta machen und die heißen Mittagsstunden am See verbringen. Für die trockene Gegend war der See riesengroß, aber leider zum Baden nicht geeignet. Das Wasser war sehr muffig und lud höchstens ein, die Füße abzukühlen. Im Schatten von Nadelbäumen und einer grünen Wiese hatten wir alles was man für eine entspannte Pause brauchte.  Wir verbrachten die Zeit mit faulenzen, Mittag essen, lesen, schlafen und Skipbo spielen. Und obwohl wir im Schatten saßen und ein leichter Wind durch die Bäume wehte, zeigte das Thermometer 37°C. Unglaublich!!  Auf der anderen Seeseite brach gerade ein Feuer aus und wir beobachteten die schwarze Rauchfahne, die immer größer wurde. Hier waren wir zum Glück auf der sicheren Seite.

Lago di San Giuliano.

Zum Mittagessen gab es frischen Tomatensalat.

Feuer am See.

Nach 4 Stunden erholsamer Siesta ging es weiter. Wir fuhren erst auf größerer, dann auf einer kleineren Nebenstraße überwiegend wieder bergauf. Da die Hitze kaum nachgelassen hatte, wurde es wieder sehr anstrengend und jeder Schatten wurde für eine kurze Pause genutzt. Auf einer kleinen Nebenstraße, die sich 300 Höhenmeter recht steil bergauf schlängelte, sahen wir wieder verkohlte Bäume und Büsche am Straßenrand. Was ist das für ein verrücktes Klima hier? Oben angeommen hatten wir ein schönes Panorama auf das Basento-Tal. Nach einigen Kilometern auf dem Bergrücken erreichten wir Pomarico. Hier waren wir nicht sicher welcher Abzweig der richtige sei, da die Schilder mit der Karte nicht so ganz übereinstimmten. Ich fragte einen älteren Herrn, der gerade seinen Müll wegbrachte. Müll ist hier übrigens kein Problem mehr. Im Gegensatz zur Küste ist es hier richtig ordentlich und aufgeräumt und weder Flaschen noch anderer Unrat sind am Straßenrand zu finden. Jedenfalls wollte ich den Mann, der den Müll gerade wegbrachte auf Italienisch fragen, welche Straße die richtige sei, als sich herausstellte, dass ich einen in Augsburg lebenden Italiener angesprochen hatte, der hier mit seiner Frau im Zweitanwesen gerade Urlaub machte. Spontan lud er uns zu eiskalten Bier bzw. Wasser ein. Unglaublich wie toll das kalte Wasser bzw. Bier (sogar Becks!) schmeckte. Ich mag ja eigentlich kein Wasser, trinke es hier nur, weil Saft bei der Hitze sofort schlecht wird. Aber nach dieser Hitze eiskaltes Wasser. Das war so lecker!  Als seine Frau dazu kam, schüttelte sie die ganze Zeit nur den Kopf. „Mit dem Fahrrad hier hoch und dann noch bis Neapel. „Des is ja verrückt“. Nach einer netten Unterhaltung und wieder frisch von den kalten Getränken verabschiedeten wir uns von den beiden. Wir wollten noch ein paar Kilometer zurücklegen bevor es dunkel wurde.

Verbrannte Erde.

In Pomarico bekamen wir leckeres kaltes Wasser und Bier.

Die Straße führte wieder leicht bergauf – bergab mit schönem Panorama auf das Tal und die umliegenden Hügel. Vorbei an gemütlichen einzelstehenden Häusern mit großen Gärten, wo Wein und Tomaten und allerlei andere schöne Dinge in den Gärten wuchsen. An den Straßen standen Feigenbäume und Brombeeren und wir kamen und kamen nicht wirklich voran vor lauter naschen. Doch nun setzte die Dämmerung langsam ein und wir hatten noch immer keinen Schlafplatz. Campingplätze gab es hier nicht und wir mussten ein schönes Fleckchen Erde finden, wo wir unser Zelt aufbauen konnten. Aber erstmal fuhren wir noch durch eine irre wellige Landschaft aus bunten Kalkmergel, die in der untergehenden Sonne noch viel irrer aussah. Ich kann sie gar nicht richtig beschreiben und auf dem Foto sieht sie nicht annähernd so toll aus. Auf der Abfahrt ins Basentotal führte die Straße an kleinen Olivenhainen vorbei. Direkt an einer kleinen Stichstraße stellten wir kurz nach Sonnenuntergang unser Zelt auf einer kleinen ebenen Fläche neben dem Olivenbäumen auf. Von hier hatten wir einen traumhaften Blick auf die umliegenden Hügel und auf der anderen Talseite konnten wir hell erleuchtet die Stadt Pisticci auf dem Gipfel sehen.

Richtung Basento Tal.

Feigen naschen am Straßenrand.

Ein wilder Zeltplatz bedeutet nicht unbedingt groß auf Komfort verzichten zu müssen. Mit einem Waschlappen, etwas Duschgel und einem halben Liter Wasser kann man sich ausreichend waschen und fühlt sich frisch und sauber.  Zu Essen gab es Nudeln mit Tomatensoße vom Campingkocher und nachdem wir alles erledigt hatten, fielen wir sauber, satt und müde ins Bett. Ich hatte selten einen wilden Zeltplatz erlebt, der so unglaublich still war wie dieser. Am Himmel ein Sternenhimmel wie gemalt, die Milchstraße deutlich sichtbar und nur ein paar Grillen durchbrachen ab und zu die unglaubliche Stille. Das einzige was die Stimmung, besonders Torstens Stimmung, etwas trübte, waren die Mücken, die sich alle zum Festmahl bei uns einfanden. Aber ansonsten war alles toll.

Unser wilder Zeltplatz neben den Olivenbäumen mit Blick auf Pisticchi. Die vielen Mücken haben das Kochen erschwert.


Tag 5 (Mo, 06. Aug. 12)

 

Pisticci - Stigliano

 

50 km, 1170 Hm

Noch in der Dämmerung klingelte unser Wecker. Die Nacht war angenehm kühl und Morgentau benetzt das Zelt. Die Sonne trocknete die Feuchtigkeit jedoch schnell wieder weg. Nach der üblichen Packprozedur führte uns die heutige Strecke in nahezu unbewohntes Gebiet. Daher war es wichtig, frühzeitig die gesamte Tagesverpflegung und besonders genügend Getränke einzukaufen. In Pisticci Nuevo, nur wenige Kilometer von unserem Zeltplatz entfernt an der Hauptverkehrsstraße, die durch das Basento Tal führte, fanden wir einen kleinen Supermarkt und kauften alles ein, was wir für den Tag brauchten: 8 Liter Wasser und weitere 4 Liter an Erfrischungsgetränken, Tomaten und Brot für das Mittagessen und ein paar Leckereien. Vollgepackt mit ausreichend Lebensmitteln konnten wir uns auf den Weg in eine ganz unwirkliche Gegend machen.

 

Unser erstes Etappenziel war die Geisterstadt Craco. Wir verließen das Basento-Tal und fuhren auf einer ruhigen Landstraße Richtung Westen. Linkerhand grüßte uns Pisticci vom Berggipfel. Schnell wurde es einsam auf der schwach befahrenen Straße, aber wer soll hier auch langfahren, wo es doch kaum was gibt. Passend zur trostlosen Umgebung fing die Sonne früh an, all ihre Kraft in einen weiteren heißen Tag zu investieren. Die ersten Kilometer fuhren sich auf ebener Strecke noch sehr angenehm, und wir passierten Craco-Peschiera. Das ist der Ort, an den die Menschen umgesiedelt wurden, nachdem ein großer Teil der Stadt Craco 1991 von einem Erdrutsch zerstört wurde. Seitdem wird Craco die Geisterstadt genannt, weil sich niemand mehr hier aufhalten darf.

 

Nach einer Weile zweigte die Straße Richtung Craco ab und nun wurde es anstrengend. Typisch für diese Region ist, dass die Städte immer auf den höchsten Hügeln erbaut wurden und wie weiße Flecken schon von weiter Entfernung aus sichtbar sind. Mit etwa 6% schlängelte sich die Straße empor und nach einer Weile kam der Normannenturm, das Wahrzeichen der Stadt, in Sicht. Oben angekommen, stellten wir fest, dass diese Stadt tatsächlich nicht betretbar war. Riesige Bauzäune versperrten die Eingänge, da die Einsturzgefahr anscheinend wirklich sehr groß war. Wir konnten diese verlassene Stadt somit nur von außen bewundern, aber auch von dort spürte man die Verlassenheit und den geisterhaften Charakter.

Ländliche Idylle am morgen.

Vorräte auffüllen am morgen.

Heute wurde es einsam.

Die Geisterstadt Craco zeigt sich auf der Spitze des Berges.

Erhoben thront der Normanneturm über der Stadt.

Fast die gesamte Stadt ist verlassen und abgesperrt.

Eine kleine Touristinfo ist immer noch besetzt.

Von hier oben hatte man einen herrlichen Ausblick auf die umliegende Landschaft, die einfach unbeschreiblich war: Gelbe verdörrte Felder in einer sanften Hügellandschaft mit einigen grünen Tupfern von Olivenbäumen unter einem flimmernden graublauen Himmel. Leicht auf und ab ging es auf einer immerhin perfekt asphaltierten Straße weiter Richtung Westen. Aber mittlerweile brannte die Sonne so stark, dass selbst die Geier aufgehört haben in der Thermik ihre Runden zu drehen. Schwer war es, in dieser verlassen Gegend eine geeignete Stelle zur Mittagspause zu finden. Es gab hier einfach nix. Nicht einmal gute Schattenplätze. Gegen halb 1 hielten wir es nicht mehr aus und suchten Zuflucht auf einem staubigen Feldweg, der durch ein paar hohe Bäume vor der Sonne geschützt war.

Reglos verharrten wir die kommenden Stunden und passten uns dem Rhythmus der Natur an. Wie tot lag das Land vor uns, so als ob einer auf die Stoptaste gedrückt hat. Nur die fleißigen Ameisen, die sich anscheinend nicht von der Hitze beeindrucken ließen, düsten umher und wurden von uns eingehend studiert. Es war gar nicht so einfach mehrere Stunden einfach nichts zu tun und einfach nur die Situation auf sich wirken zu lassen. Selbst zum Karten spielen hatten wir weder Lust noch Energie. Gegen halb 4 wurde es auf einmal merklich kühler. Eine große Wolke schob sich zwischen uns und die Sonne und für uns war es das Zeichen zum Aufbruch. Leider löste sie sich in dem Moment auf, in dem wir fertig gepackt hatten und kaum waren wir auf den Rädern, brannte die Sonne wieder mit aller Kraft auf uns runter.

Unwirkliche Landschaft in der Basilikata.

Richtung Stigliano wurde es wieder grüner.

Es sollten gerade mal 50 km bis Stigliano sein, aber der Tag heute war wieder so anstrengend, dass wir erst gegen frühen Abend die Kleinstadt auf etwa 800 m Höhe erreichten. Und eigentlich wollten wir heute noch weiter und wieder draußen übernachten, aber wir waren so ausgelaugt, dass wir uns ein winziges Bed and Breakfast Zimmer nahmen und keinen Meter weiter fuhren. Das Zimmer war für diese abgelegene Gegend mit 50€ zwar sehr teuer, aber das klimatisierte Zimmer im ersten Stock mit dem weichen Bett und der kräftigen Dusche war der reinste Luxus nach diesem Tag. Auch die Wäsche freute sich endlich den Staub der letzten Tage zu verlieren.

Blick von unserem Balkon in Stigliano.

Nachdem wir unsere Sachen gewaschen und sortiert hatten, mischten wir uns unter die Einheimischen und steuerten die kleine Pizzeria direkt gegenüber der Pension an. Die Pizza war der Hammer, so lecker war sie. Die Hitze allerdings schien sich auch in der Nacht nicht vertreiben zu lassen. Gegen 21 Uhr zeigte das Thermometer immer noch 33°C auf dem Marktplatz an. Wir waren aber zu kaputt, um das Nachtleben ausreichend zu genießen oder die Stadt auszukundschaften. Schön war die Stadt auf den ersten Blick eh nicht und die vielen Autos, die sich durch die kleinen Gassen schlängeln, machten jede Menge Krach und schlechte Luft. So begaben wir uns pünktlich ins weiche Bett.


Ende Teil 1. Weiter geht es mit Teil 2.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0